Montag, 29. September 2008

Vom Theater auf den Friedhof


27.09.2008

Samstag Vormittag, normalerweise der Tag, an dem ich mich in der Heimat melde. Leider kann ich dieses Mal nicht anrufen, da das Internet nicht funktioniert. Hab mich so drauf gefreut, vertraute Stimmen zu hören :(. Naja, aber ich hab das Beste draus gemacht und die Zeit für einen gründlichen Hausputz genutzt.

Am Mittwoch sind Claire - Praktikantin aus Frankreich -, Paulina, Paulo, Gustavo und ich ins Theater gegangen. Und zwar nicht in ein gewöhnliches, sondern in ein Improvisationstheater. Für diejenigen, die sich darunter nichts vorstellen können, ein paar Worte dazu.

Das Ganze ist eine Art Spiel, bei der zwei Gruppen gegeneinander antreten und ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Das Publikum hilft dabei, Aufgaben für die Akteure zu finden.

Zum Beispiel: Der Spielleiter fragt das Publikum, welche Sprachgruppen vertreten sind. Es melden sich Zuschauer aus mehr als 10 verschiedenen Sprachgebieten und Ländern. Die Jury notiert die Sprachen. Daraufhin wird gebeten Vorschläge für mögliche Spielsituationen zu machen. Es entscheidet die Jury, welche Gruppe, in welcher Sprache welche Situation spielen soll. So wurde für Gruppe 1 die Sprache Ashaninka - Dialekt im Dschungelgebiet Peru´s - ausgewählt, um eine Szene der Hochzeitsnacht zu spielen. Zwei Akteure bilden das Hochzeitspaar und zwei weitere übersetzen das Gesprochene ins Spanische. Sobald die Regeln aufgestellt sind, beginnen 5 Minuten zu laufen, in denen die 4 Schauspieler improvisieren müssen. D.h. keiner kann Ashaninka und es gibt keine Vorbereitungszeit, um sich eine mögliche Handlung auszudenken. Das Pärchen fängt an, aufs Geratewohl die Hochzeitsnacht zu spielen und dabei soviel Kreativität wie möglich einzubringen. Die Übersetzer versuchen die Gesten und Laute zu interpretieren und geben dies ans Publikum weiter.

Im Anschluss ist das zweite Team mit einer anderen Szene und Sprache an der Reihe. Das Publikum entscheidet letztlich, gemeinsam mit der Jury, wer mehr Improvisationstalent gezeigt hat und somit den Punkt erhält.

Wer die Möglichkeit hat, ein solches Theater mal live zu sehen, sollte auf jeden Fall hingehen, denn soviel gelacht habe ich schon lange nicht mehr :).

Vom Theater auf den Friedhof.

Am Donnerstag Abend haben Gustavo und ich eine Tour zu Peru´s berühmtesten Friedhof gemacht. Jeden letzten Donnerstag des Monats - Vollmondnacht - wird diese Tour angeboten. Wer sich jetzt fragt, was so interessant an einem Friedhof sein kann, der sollte diesen besucht haben. Der Friedhof befindet sich in einem von Lima´s ärmsten Viertel, den “Barrios Altos”, weshalb die Fahrt dorthin schon sehenswert war. Nicht dass ich gerne die Armut sehe, aber man kommt ins Nachdenken. Auf Schildern steht: Dr. Quito, Arzt der Armen, Beratung S/. 2,50 (Euro 0,50), die Kinder spielen auf Müllbergen, als wäre es das natürlichste auf der Welt und der Friedhof der peruanischen Elite liegt genau gegenüber des Friedhofs der Ärmsten des Landes.

Wir erreichen den Friedhof. Zunächst wird eine Show aufgeführt, die wir aber nicht sehen, da wir uns mit unserer geliehenen Laterne auf Entdeckungstour begeben, bevor der Rundgang mit Führung beginnt. Schnell stoßen wir auf die ersten bekannten Namen von Kriegshelden, Schriftsteller und Politiker Peru´s.

Solche Grabdenkmäler habt ihr noch nicht gesehen. Riesige Engelsstatuen, Elfen, enorme Steinkreuze... Innerhalb der Führung werden uns dann einiges Persönlichkeiten vorgestellt und Anekdoten dazu erzählt. Erst während des Rundgangs wird uns bewusst, wie groß der Friedhof ist, denn in der Dunkelheit waren dessen Ausmaße nur zu erahnen. Irre viel Geld und Kunsthandwerk wurde in die Grabmäler und das zugehörige Mausoleum investiert. Doch blickt man über die Friedhofsmauern hinweg entdeckt man die angrenzenden Elendsviertel, Blechhäuser ohne Strom und Abwassersysteme, geschweige denn einer ausreichenden Wasserversorgung. Extreme Armut und Tod als unmittelbare Nachbarn lassen ein makabres Bild entstehen, das einem wieder einmal vor Augen führt, in welch glücklicher Situation man sind befindet.

Spät Abends kommen wir zu Hause an. Die Vorfreude aufs Wochenende ist groß, da der Schlaf ein wenig zu kurz gekommen ist, die letzten Tage.

Am Freitag nach der Arbeit mach ich mich mit Claire auf den Weg ins Zentrum von Lima, wo wir eine ausgiebige Shoppingtour machen wollen. Treffen uns zunächst mit Gustavo, um gemeinsam Mittag zu essen und ziehen dann alleine weiter. Bummeln durch das chinesische Viertel und das riesige Marktgelände. Die Sonne scheint, was den Tag noch um einiges schöner werden lässt. Bis um 6:30pm machen wir die Stadt unsicher, kaufen wenig, doch entdecken viele interessante Ecken.

Dazu muss ich sagen, dass uns die Idee einen Nachmittag im Zentrum zu verbringen, gekommen ist, da wir einen Tag zuvor mit Amnesty International im Kongress waren, um Unterschriften für eine unsere Kampagnen zu sammeln. Ganz stolz sind wir dort ein- und ausspaziert. Denn es ist nicht leicht, Zutritt zu dem Gebäude zu gekommen, wo Peru´s einflussreichste Politiker vertreten ist. Unterschriften haben wir gesammelt für die Kampagne "Waffen unter Kontrolle". Seit 2006 wird in der UNO an einem Vertrag gearbeitet, der die Waffenlieferungen, v.a. an Kriegs- und Krisengebiete, besser kontrollieren soll. 153 Mitglieder der UNO haben bereits unterzeichnet, wobei ich erwähnen sollte, dass sich die größten Waffenlieferanten (USA, China, England...) bisher ihrer Stimme enthalten. Warum ist solch ein Vertrag wichtig für die Weltgemeinschaft?

Ganz einfach: Zahlreiche Länder verkaufen ihre Kriegsgeräte an Regionen wie Dafur (eines der krisenreichsten Gebiete Afrikas), Irak, Ruanda, wo sie zur Ausbildung von Kindersoldaten, zur Masakern an ganzen Bevölkerungsgruppen verwendet werden.

Was die UNO und zahlreiche Menschenrechtsorganisationen wollen, ist, dass alte Kriegsgeräte des Militärs nach erfüllten Zweck vernichtet werden, anstatt an andere Länder verkauft zu werden. Nach dem Kalten Krieg gab es, v.a. in Russland, enorme Waffenlager und mittlerweile findet man genau diese Waffen in Ländern, in denen tausende von Menschen den Kugeln zum Opfer fielen. Die meisten Länder leugnen natürlich die Waffenlieferungen, oft werden sie auch von professionellen Waffenschmugglern über äußerst schwer nachvollziehbare Routen in Kriegsgebiete befördert. Dies lässt sich wohl auch nicht so leicht vermeiden, doch zumindest kann man durch bessere Registrierungen, Kontrollen und Waffenvernichtung, dem ganzen entgegentreten. Das Thema ist unglaublich spannend, da Politiker, die Mafia und Präsidenten in den Waffenhandel involviert sind. Ich will ja keine Werbung machen, aber aufgrund der Kampagne von AI wurde ein Hollywood-Film mit Nicolas Cage (Lord of the War) gedreht, der - auf wahren Fakten basierend - die Problematik aufzeigt.

Jetzt aber genug von Friedhof, Armut und Waffenschmuggel :).

Freu mich erst einmal auf ein tolles Wochenende, an dem wir erst mit Gustavo´s Eltern essen gehen, dann mit den Leuten aus meiner Arbeit die Gegend unsicher machen und morgen je nach Wetterbedingungen, entweder in den Zoo - sträub mich noch dagegen, ihr wisst ja, dass ich dem ob der oftmals schlechten Tierhaltung, skeptisch gegenüber steht - oder düsen so ein wenig durch die Gegend.

Apropos Wetter, der Frühling hat begonnen und es kommt tatsächlich des öfteren Mal die Sonne ´raus. Das weckt die Lebensgeister!

Wünsche euch ein schönes, erholsames Wochenende!

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