Samstag, 30. August 2008

26.08.2008

Gestern war kein schöner Tag. Bin am Morgen noch gut gelaunt in die Arbeit, doch kaum angekommen ruft mich Nik an, um mir zu sagen, dass der Vater von einem guten Freund an Krebs gestorben ist.

Da die Verbindung relativ schlecht war und ich aufgrund der Sprache doch noch ab und zu etwas falsch verstehe, habe ich ihn so verstanden, dass sein Papa gestorben ist. Hat mich total geschockt und hab gleich darauf mit Gustavo telefoniert. War schon kurz davor nach Hause zu fahren, als mir Gustavo mitteilte, dass es sich um einen Irrtum handelt. Nach ´ner Weile habe ich mich dann auch wieder einigermaßen gefasst. Abends sind wir dann in einer Gruppe zur Totenwache gefahren. Jeder wusste mittlerweile schon Bescheid. Die einen habens über das Radio, die anderen über die Nachrichten erfahren. Alfredo´s Papa war Kongressmitglied und daher wurde das ganze publik gemacht.

Seit ich wieder hier bin, hatte ich Alfredo noch nicht gesehen und so habe ich mir unser Wiedersehen beim besten Willen nicht vorgestellt. Wollte ihm die Tage noch schreiben, weil ich wusste, dass es seinem Vater von Tag zu Tag schlechter geht und sie keinen geeigneten Blutspender finden konnten (Leukämie).

Bei der Totenwache waren wahnsinnig viele Leute anwesend und Blumenkränze von allen Parteien, dem Präsidenten und Angehörigen. Für Alfredo konnten wir natürlich nicht viel tun, aber Hauptsache wir waren bei ihm. War das erste Mal, dass ich einen Toten gesehen habe. Ich selbst kannte seinen Papa nur oberflächlich, aber dafür noch putzmunter vor nicht einmal einem Jahr in Iquitos. Unvorstellbar, wie schnell es auf einmal gehen kann.
Mittlerweile dürften sie ihn schon nach Iquitos, seine Geburtsstadt, gebracht haben, um ihn dort zu beerdigen.

Bin heute selbst ziemlich sentimental. Tut weh einen Freund leiden zu sehen. Und sein Papa war noch so jung.

Hoffe, das nächste Mal hab ich erfreulichere Nachrichten für euch.
Werde am Donnerstag Abend und am Freitag an zwei Aktionen von anderen Organisationen teilnehmen und ich denke, das wird ganz interessant.
Am Wochenende wollen wir zwei dann einen Kurztrip in die Berge machen. Darauf freue ich mich schon riesig :).

29.08.2008

Nun haben wir schon Freitag Nachmittag, ich lieg mich Bauchschmerzen im Bett und blicke auf eine weniger schöne Woche zurück. Kaum ist meine gute Laune wieder zurückgekehrt habe ich mir irgendwas einfangen. Gestern hab ich dann extremen Schongang einlegen müssen. Bin den ganzen Tag nicht aus dem Bett gekommen, abgesehen von den Gängen aufs Klo.... (dazu jetzt keine genaueren Details). Muss wohl irgendetwas falsches gegessen haben. Lustig, am Tag zuvor war ich noch mit Paulina in der Apotheke, um etwas gegen ihre Magenprobleme zu kaufen. Sind zur Zeit nur am Tabletten austauschen ;). D.h. mich hats das erste Mal so richtig erwischt. Aber genug davon. Gustavo hat mir gestern noch Tabletten gekauft und so hoffe ich morgen wieder fit zu sein.

Apropo fit, am Mittwoch war ich mit Paulina im Schwimmbad. Haben beschlossen jetzt einmal die Woche was für unsere Fitness zu tun. Das ist vielleicht ein komisches System hier. Stündlich hört man einen Gong im Schwimmbad, sprich dann müssen die Gäste, die für eine Stunde bezahlt haben, das Becken verlassen. Und eine Stunde ist teuer genug! Gehört wohl auch zum Luxussport in Peru. Hat auf jeden Fall gut getan, die Bewegung.

Gestern Abend wollte ich eigentlich an einem Event teilnehmen, auf das ich mich schon gefreut hab, doch wollten sich meine Glieder einfach nicht bewegen :(. Aber dafür habe ich mich heute aufgerafft, zwar immer noch ziemlich schwach auf den Beinen, aber einen weiteren Tag zu Hause bleiben wollte ich auch nicht. Und es hat sich gelohnt. Um 8:30am habe ich mich mit Jenna im Universitätspark, im Zentrum von Lima, getroffen. Die Anlage an sich ist schon einen Besuch wert. Und ich hab meine Kamera vergessen! Wir haben uns von Amnesty International dazu bereit erklärt beim Essenservice auszuhelfen. Sprich, die Gäste (über 200) in den Pausen mit Essen und Trinken zu versorgen. Zwischenzeitlich waren wir natürlich im Audienzsaal, um verschiedene Vorträge zu hören. Wow, wahnsinnig interessant, aber nicht gerade magenschonend. Die Audienz ist unter dem Thema Gewalt gegen Frauen während der internen, bewaffneten Konflikte verschiedener Länder, v.a. Peru, gelaufen. Opfer von Vergewaltigungen, Missbrauch, Frauen von verschleppten und ermordeten Männern, haben hier vor dem gesamten Publikum ihre Geschichte erzählt. Darunter Zeugen aus Guatemala, Argentinien, Chile und aus der Provinz Perus. Ich muss schon sagen, dass ist mir ganz schön an die Nieren gegangen, aber es ist gut und wichtig, dass sich endlich - teils 20 Jahre später - Frauen dazu bereit erklären Zeugnis über die erlittenen Gräueltaten abzulegen. Stück für Stück kommen die Menschenrechtsverletzungen ans Tageslicht und im besten Falle vor Gericht. Da die meisten Vergewaltigungen jedoch von Soldaten auf Regierungsseite verübt wurden, und diese zumeist unter Straffreiheit gestellt wurden, ist die Hoffnung auf eine gerechte Strafe relativ gering, doch wird zumindest endlich die Mauer des Schweigens gebrochen.
Leider konnte ich nicht alle Zeugenaussagen anhören, da mein Bauch die Käsesemmel - die ich zu Mittag gegessen hab - vehement abgelehnt hat und mir übelste Krämpfe verursachte. Böser Bauch! Hoffe, morgen fühle ich mich wieder besser. Wir wollen doch verreisen!!! Und das ist wies aussieht das letzte Wochenende, an dem wir Gelegenheit dazu haben. Ab nächster Woche hat Gustavo wieder Französisch-Unterricht jeden Samstag und da kann man schlecht schon die ersten Male fehlen.

Also schickt mir ein paar gute Energien, damit ich morgen wieder gesund bin!

Samstag, 23. August 2008

Hochzeit von Evelyn in Chaclacayo



23.08.2008

Endlich zu Hause angekommen. Kaum aus Chaclacayo zurück dachte ich, ich geh mal wieder ganz gemütlich in meinem Lieblingssupermarkt, Santa Isabella, shoppen, da´s im Kühlschrank ziemlich mau ausschaut. Also bin ich losmarschiert, einmal um den Block, dann noch ein wenig die Gegend erkundschaftet, um die Sonnenstrahlen aufzufangen, die heute unverhofft Lima erstrahlen lassen. Endlich am Zielpunkt angelangt, bin ich erst einmal komplett verwirrt. Wo ist mein Supermarkt hin??? Steh plötzlich vor einem nagelneuen Vivanda (einer der teureren Lebensmittelgeschäfte hier). Es kann doch nicht sein, dass in den wenigen Monaten Santa Isabella verschwindet und so schamlos ersetzt wird. Versuch mich erst einmal zu orientieren, so wirklich glauben kann ich das ja nicht. Und da ich ein Talent dafür hab mich ständig zu verlaufen, denke ich auch noch eine ganze Weile, dass dies der Grund sein muss. Zu meinem Entsetzen muss ich jedoch feststellen, dass es sich um keinen Irrtum handelt. Tja, der Kapitalismus verschont leider auch nicht Lima, sodass die kleinen Geschäfte langsam den Namhafteren weichen müssen.
Nun gut, kann man nix machen.
Mittlerweile ist die Sonne schon verschwunden und ich hör grad Musik auf meinem Lieblingssender. Im Hintergrund hört man Daniela, unser Nachbarbaby, schreien. Die kleine Maus hat doch tatsächlich rund um die Uhr stündlich Hunger. Doch wenn ihr jetzt meint sie ist schon ein kleiner Mobs, täuscht ihr euch. Keine Ahnung wo die Kleine die ganze Milch hinsteckt.
Werde mir heute einen gemütlichen Abend zu Hause machen, ein wenig aufräumen und mir einen Film ansehen. Gustavo ist in Chaclacayo - dazu gleich mehr - geblieben, um dort mit seinen Freunden einen guten Kumpel zu verabschieden, der bald für ein paar Jahre nach Chile geht. Zunächst war ich traurig, dass er das Wochenende nicht zu Hause ist, aber jetzt freue ich mich richtig auf einen gemütlichen Abend alleine :).

Jetzt aber mal zur Hochzeit von Evelyn. Am Freitag morgen sind wir erst einmal gemütlich frühstücken gegangen, um uns im Anschluss auf den Weg nach Chaclacayo, einem Stadtteil von Lima, zu machen. Am Vortag hab ich Paulina nach der Arbeit nach Hause begleitet, weil sie mir angeboten hat, mir eines ihrer Kleider zu leihen. Und ich hatte Glück! Also kann nun nichts mehr schief gehen. Die Anreise dauert über 1,5 Stunden, da Chaclacayo ziemlich weit weg ist vom Zentrum. Ich bin schon ganz aufgeregt. Erstens freue ich mich immer auf Hochzeiten und zweitens kann ich es kaum erwarten in die Sonne zu kommen. Schließlich hat man mir gesagt, dass in Chaclacayo immer die Sonne scheint.
Wir kommen näher und näher, aber von der Sonne keine Spur. Trotzdem scheint es ein recht schönes Viertel zu sein. Beim Standesamt angekommen, werden wir dann gleich weiter zu Evelyn´s Haus geschickt. Kurzfristig wurde die ganze Zeremonie in ihr Anwesen verlegt. Wir sind die ersten Gäste und werden gleich mal mit Sangría ruhig gestellt. D.h. ich krieg bloß wenig ab, denn als ich für ein Weilchen verschwinde, um Evelyn beim ankleiden zu helfen, löst sich mein Sangría auf mysteriöse Weise in Luft auf. Naja, hätte Gustavo nicht so lange alleine lassen dürfen, so ganz ohne Gesellschaft ;). Wein ist schließlich immer ein treuer Gefährte in einsamen Momenten.

Um 14Uhr gehts dann endlich los. Leider hab ich kurz zuvor noch erfahren, dass ich nicht Trauzeugin werden kann, da ich noch nicht mehr als drei Jahre in Peru lebe. Schnief! Aber für Evelyn war das auch nicht schön zu hören, da sie im letzten Moment noch irgendjemanden suchen musste. Da frag ich mich schon. Vor ein paar Tagen musste sie meinen Pass im Standesamt vorlegen und keiner sagt was. Und dann, wenige Minuten vor der Trauung, wird ihr dies mitgeteilt. Nun gut, so ist das hier eben. Ruhe bewahren und Lösung suchen! Zu ändern ist eh nix. Die Trauung an sich ist schön, bin die ganze Zeit am fotografieren, daher bekomme ich nicht alles mit. Aber Gustavo hat ein schönes Video aufgenommen, also werde ichs mir in einem ruhigen Moment nochmal anschauen. Im Anschluss dann der Hochzeitswalzer und ein Prost auf das Brautpaar. Ganz wie bei uns. So verbringen wir dann den Nachmittag. Gutes Essen, viel Alkohol und interessante Gespräche. Ganz überraschend spricht mit einer der Gäste auf deutsch an. Erzählt mir, dass er drei Jahre in Deutschland studiert hat. Ist schon witzig, wo man hinkommt stößt man auf jemanden, der entweder die deutsche Sprache beherrscht oder Verwandte in Deutschland hat. So weit hat es unser kleines Stückchen Land gebracht :).
Gegen 18Uhr ziehen sich dann die meisten zurück. Wir auch. Suchen uns ein Hostal in der Nähe und werden auch schnell fündig. Auf einmal überkommt mich so eine Müdigkeit, dass ich bloß noch ins Bett falle und weg bin. War wohl doch zu viel Wein. Wollte schon immer ablehnen, als man mir wieder ein volles Glas vor die Nase gestellt hat. Aber da jedes Mal ein Prost auf die Vermählten ausgesprochen wurde, konnte ich auch nicht nein sagen. Blöd, dass das Ganze immer ein Nachspiel hat. Eigentlich wollten wir uns noch mit Evelyn und Christopher (Bräutigam) zusammentreffen. Aber keine Chance.
Am nächsten Morgen bin ich dann gar nicht fit. Wollten eigentlich Chaclacayo erkundschaften, aber dafür bleibt nur noch wenig Zeit. Gehen als gemütlich essen und wandern dann noch ein wenig ´rum, mit einem Abstecher zur Apotheke, wo ich mir eine Kopfschmerztablette gönne. Obs wirklich eine war, weiß ich nicht. Das blöde ist, dass man hier in die Apotheke geht, sagt was einem fehlt und einem dann irgendeine Tablette gegeben wird, ohne Packungsbeilage, ohne weitere Erläuterungen. Zwar geben sie einem die Beschreibung, wenn man explizit danach fragt, aber kaum jemand will Details wissen. Hannah konnte mal drei Nächte nicht schlafen, weil sie eine zu starke Tablette gekriegt hat. Dazu kommt, dass fast alle Mittelchen Antibiotika enthalten. Hauptsache der Schmerz verschwindet so schnell wie möglich! Eines der Dinge, das unbedingt verbessert werden müsste. Erst habe ich auch erfahren, dass es, wie für Cds und Filme, einen Schwarzmarkt für Medikamente gibt. Das ist wirklich fahrlässig. Gerade die Menschen, die am wenigsten Geld haben, unter den unhygienischsten Bedingungen leben, kaufen dort ein. Oft ist die Medizin abgelaufen und die Verkäufer verstehen überhaupt nichts von ihren Produkten. Grauenhaft, welche bösen Folgen das Ganze mit sich bringen kann!

Nun aber wieder zurück nach Chaclacayo. Nach dem Essen machen wir also ein wenig die Gegend unsicher. Finden auch einen schönen Fluss, an dem sogar ein Park angelegt wurde. Allerdings kostet der Eintritt. Also setzen wir uns auf eine Bank und genießen die Sonne. Und was sehen meine Äuglein da. Uns gegenüber ist ein Industriegelände. Der Drahtzaun trägt ein Schild, das folgendes besagt: Privatgrund: Betreten verboten, Anweisung zum schießen! Uff, Schock. Hier betritt man das Gelände also nicht nur auf eigene Gefahr, sondern wird zugleich zum Freiwild. Na hoffentlich verschlägt es da nicht mal ein paar Kinder zum spielen hinein. Ob es wirklich soweit kommen kann, keine Ahnung, zweifle ich an, aber allein schon die Aufschrift lässt einen schlucken.

Ja und schon ist es 14Uhr. Gustavo wird jetzt noch ein Stück weiter fahren, um sich mit seinen Freunden zu treffen und mich setzt er in einen Micro in Richtung nach Hause. Weist mich noch ausführlich auf alle Gefahren hin und besteht darauf, dass ich mich melde, sobald ich heil angekommen bin. Ich natürlich wie immer unbesorgt, spring auf den Beifahrersitz und freu mich über meinen Luxusplatz mit Panoramablick. Sperr die Türe von innen zu und glaube mich sicher. Erst ist auch alles ruhig, kann sogar heimlich ein bisschen filmen. Mit heimlich meine ich so, dass nicht jeder meinen Fotoapparat sieht, denn das könnte gefährlich werden. Bald darauf kommen wir in die Gegend, wo ein großer Obstmarkt ist. Gustavo hat mit explizit darauf hingewiesen, dass ich dort wachsam sein soll. Bin ich natürlich nicht, trotz der Warnung des Fahrers, nochmals zu überprüfen, ob die Tür auch gut verschlossen ist. Türe ist geschlossen, Rucksack ist auf meinem Schoss, also kann nichts mehr schief gehen. Denke ich zumindest. Doch eines habe ich vergessen. Das Fenster, das zum aufschieben ist, steht einen Spalt weit offen. Kaum kommt der Micro kurz zum stehen, geh ruckartig das Fenster neben mir auf und ich spüre, wie jemand versucht mir den Rucksack zu entreißen. Check in dem Moment überhaupt nicht was los ist. Weiß auch nicht, was geschehen ist, dass der Kerl kurz darauf aufgibt und ich das Fenster mit Schwung zumachen kann. Erst als ich einen Kratzer an meiner Hand entdecke, verstehe ich was gerade passiert ist und welch ein Glück ich gehabt habt. Man möchte jetzt vermuten, dass das Ganze für Aufruhr und Unruhe im Bus gesorgt hat. Gar nicht. Wir fahren weiter, als wäre überhaupt nichts passiert. Keiner fragt, ob alles in Ordnung ist, der Fahrer macht weiterhin seine Scherze mit seinem Kollegen... Ich verstaue meinen Rucksack bei meinen Füßen und nimm selbst alles so hin, als wäre es das normalste auf der Welt. Auch wenn in meinem Rucksack mein Fotoapparat, Geld, mein Ausweis, mein Handy und meine Schlüssel sind. Und ich sag noch zu Gustavo im Scherz: "Wenn sie mich auf der Reise überfallen, steh ich so richtig ohne alles da." Gut (oder auch nicht gut), jetzt hab ich die Erfahrung auch hinter mir. Zum Glück ohne Schaden oder Verluste davon zu tragen.
Sonst ist die Heimreise aber ohne Probleme verlaufen. Im Endeffekt waren es zwei tolle Tage, die ich in vollen Zügen genossen habe. Und das Schönste, die Sonne ist nicht in Chaclacayo geblieben, sondern hat es bis nach Lima geschafft.

Sonst ist die Woche nicht allzu viel passiert. Das übliche. Arbeit, ein bisschen was lernen, mich mit dem Micro verfahren.... :)

So, jetzt knurrt mein Bäuchlein. Hab mir einen leckeren Choclo (Mais) gekauft und den werde ich mir bei einem guten Film gönnen.

Morgen treffe ich mich dann mit Theresia. Haben beschlossen ein wenig die Inka Märkte unsicher zu machen. Da wir beide der auf Suche nach ein paar Dingen sind, keiner sich aber die ganzen Verkäufer, die einen überfallen, alleine antun will, kämpfen wir uns gemeinsam durch.

Auf in neue Abenteuer!

Freitag, 15. August 2008

Ein Jahr ist vergangen seit dem Erdbeben am 15.08.2007


12.08.2008
Mal ein Wochenende ohne zu Hause anzurufen, ohne zu erfahren, was es neues in Deutschland gibt.
Am Freitag Nachmittag hab ich mich auf a Stünderl mit Evelyn getroffen. Sie ist extra zwei Stunden mit dem Micro nach Miraflores gefahren, um mir die Einladung zu ihrer Hochzeit zu bringen. Lieb, oder?
Jetzt darf ich mich schön langsam dran machen ein Geschenk zu suchen. Hab schon ein paar Ideen. Würd auch gerne etwas basteln, aber leider sind die Peruaner nicht so bastelfreudig, weshalb man schwer die notwendigen Utensilien findet. Aber immerhin hab ich schon einen goldenen Stift aufgetrieben.
Da Evelyn ewig im Stau festgesteckt ist hab ich mich in Saga Falabella (Kaufhaus) auf die Suche nach Consuelo gemacht. Consuelo ist die Tante von Gaudy, eine Freundin die ich aus München kenne und mit der ich zwei Reisen in Peru gemacht hab. Und ich hatte Glück. Immer noch in der selben Abteilung hab ich sie entdeckt. Werd sie die Tage mal besuchen, damit mir ein wenig länger Zeit haben zum ratschen. Jaja, schön langsam hab ich doch die wichtigsten Leute hier wieder gesehen. Und wies aussieht kommt am Wochenende eine Freundin aus Cusco nach Lima. Das würd mich total freuen, da wir uns sonst lange nicht sehen werden.
Aber nun wieder von der Freizeit zur Arbeit. Freitag Nachmittag bin ich zum Hostal (Hotel) marschiert, wo für das Wochenende unser Seminar stattfinden soll. Haben dort alles vorbereitet, damit es am Samstag pünktlich losgehen kann.
Zum Glück ist das Hostal nur ein paar Häuserblöcke von zu Hause entfernt.
Und am Samstag mach ich mich dann pünktlich auf zum Seminar. Bereite noch eine Fotoausstellung vor, bevor die anderen kommen. Naja, aber das Wort Pünktlichkeit ist hier leider unbekannt. Um 9am soll es losgehen. Meine Kollegen sind auch alle rechtzeitig da. Gut, mit Ausnahme Roxana, die erst mittags erwacht. Die Teilnehmer des Seminars sind schon am Vorabend angereist, da sie aus ganz Peru kommen. Also möchte man meinen, dass der Weg vom Zimmer zum Seminarraum nicht so weit sein kann. Falsch gedacht. Um 9am fangen die ersten zum frühstücken an. Toll, und um 10:30am fangen wir endlich an. Paulina ist schon kurz vorm an die Decke gehen, denn in Polen scheint extrem viel Wert auf Pünktlichkeit gelegt zu werden. Ärgern bringt jetzt auch nix, so ist es hier nun einmal.
Nun aber mal ein paar Worte zum Seminar an sich. Ihr wisst ja noch nicht einmal, um was es überhaupt geht. Dort werden Themen behandelt, die mit meinem Projekt zusammenhängen. Terrorismus, Straffreiheit, Prozess gegen den Ex-Präsidenten Fujimori… Mehr dazu dann später.
Für Samstag sind viele interessante Leute eingeladen. Historiker, Direktoren anderer Organisationen, der Anwalt, welcher die Opfer des Militärs verteidigt… Spannend! Aber auch unheimlich viel Info. Ziel des ganzen Seminars ist die verschiedenen Gruppen von AI über das Themengebiet zu informieren und mit den Teilnehmer sowohl Ideen und Erfahrungen auszutauschen, als auch Strategien zu finden, wie wir weiter vorgehen, um gegen die Straffreiheit der ehemaligen Politiker und Soldaten anzukämpfen.
Abends bin ich dann so richtig erschlagen. Um ca. 8pm kommt ich zu Hause an. Und sobald ich versuch die Augen zu schließen sprudeln Wörter wie AI, Straffreiheit und Fujimori gnadenlos durch meinen Kopf.
Am Sonntag gehts dann wieder auf. Trotz des eindeutigen Hinweises, dass wir am zweiten Tag pünktlich anfangen, ist natürlich keiner um 9am anwesend. Keine Chance! Bin heute nicht so fit. Hab einen Schädel auf, denke mal wegen einem Zuviel an Informationen. Gleich morgens hab ich meine Präsentation. Da der Koordinator meines Teams nicht teilnehmen kann, hab ich die Ehre ;). Läuft soweit ganz gut, doch froh bin ich trotzdem, als ich das Kapitel abhaken kann. Der restliche Tag vergeht schleppend. Hauptsächlich arbeiten die Gruppen heute, d.h. für mich gibt es nicht allzu viel zu tun. Suche also immer irgendwas, was ich erledigen kann und v.a. etwas, das für ein wenig Bewegung sorgt. Hab das Gefühl, ich roste schön langsam ein.
Um ca. 7pm bin ich dann endlich zu Hause. Juhu! Aber auch nur für ein paar Minuten. Paulina hat uns zu sich nach Hause eingeladen. Und Ruth hat schon gedroht mich einen Kopf kürzer zu machen, sollte ich nicht auftauchen. War nämlich erst gar nicht in Stimmung. Nun gut, um 11pm stehen Gustavo und ich dann doch noch bei Paulina vor der Tür. Muss gleich schmunzeln, als ich ihre Wohnung betrete. Alle sitzen schon mit hochroten Bäckchen da. Nehme mal schwer an, dass das an der Wirkung des Pisco liegt. Verbringen einen lustigen Abend miteinander und fallen wenigen Stunden später erledigt ins Bett.
Und so ist das Wochenende vorüber gezogen.
Am Montag durften wir dann alle länger zu Hause bleiben, um auch schön erholt zur Arbeit zu kommen. War dann doch von den Praktikantinnen glatt die erste die um 2pm aufgekreuzt ist.
Nach der Arbeit bin ich noch mit Jenna durch Miraflores gegurkt, um eine neue Brille für sie zu finden. Im Anschluss hab mir einen lecker Latte Macchiato im Starbucks gegönnt, um mich ein Stündchen meinem Buch zu widmen, das ich gerade lese. Um kurz vor 8pm treffe ich mich dann mit Gustavo im Teatro Británico, wo wir uns Il Duce, eine Theaterstück über Mussolini anschauen. Nachdem Gustavo 1,5h im Stau festgesteckt ist, kommt er gerade noch rechtzeitig an.
Doch die Aufführung entschädigt uns für die Strapazen :).

14.08.2008
Gestern hab ich den Vormittag im Gerichtssaal verbracht. Bin früh aufgestanden, um rechtzeitig zu dem Ort zu gelangen, von wo aus ein Bus startet, der einen zu der Kaserne bringt, wo der Prozess gegen den Ex-Präsidenten Fujimori abgehalten wird. Hab dort gleich mal einen schönen Park entdeckt, wo es sogar eine Jogging-Strecke gibt. Bin da ein wenig herumspaziert, um mit meinen Handy das eine oder andere Foto zu knipsen. Kurz darauf hat mich eine Frau angesprochen, ob ich von der Gemeinde sei und in deren Auftrag Fotos mache. Dachte, sie könne bei mir gleich eine Beschwerde loswerden. Was ihr gewaltig gegen den Strich geht ist, dass einige Bäume doch tatsächlich schief wachsen in dem Park und somit nicht in ihre Vorstellung passen. Schuld daran seien die Gärtner. Naja, gibt sonst ja auch keine größeren Probleme hier.
Bald darauf sitze ich im Bus, auf dem Weg nach Callao (Viertel, wo der Prozess stattfindet). Warte noch bis zur letzten Minute auf Roxana und Jenna, die mich eigentlich begleiten sollten. Aber keine kommt. Im Nachhinein erscheint es mir besser so, auch wenns gemein klingt. Doch so habe ich Gelegenheit ein paar interessante Leute kennen zu lernen. Erst treffe ich auf ein Mädchen aus Holland, die bereits zwei Jahre in Bolivien gearbeitet hat und nun die nächsten 24 Monate in Cusco, Peru, verbringen wird. Hab gleich die Gelegenheit genutzt, um etwas über Perus Nachbarland zu erfahren. Recht interessant muss ich sagen.
In der Kaserne angekommen, wird uns gleich am Eingang alles abgenommen, aus Sicherheitsgründen versteht sich. Dann gehts in den Audienzsaal. Ist mir ja echt peinlich, aber die erste Stunde bin ich im fünf Minutentakt eingeschlafen. Ist komisch, aber das ist mir jetzt schon zum dritten Mal passiert, dass ich mitten am Tag mühe hab meine Augen aufzuhalten. Letztens hatte ich ein Gespräch mit Silvia, der Direktorin von AI, und ich wäre während dem Gespräch fast eingeschlafen. Und dabei war es recht interessant, was sie mir erzählte. Macht mir Angst, denn das ist mir noch nie zuvor passiert. Entweder es liegt am Bewegungsmangel und an zu wenig Schlaf. Werd versuchen wieder einen geregelteren Rhythmus zu finden. Geh meistens spät ins Bett und muss früh raus. D.h. so früh auch wieder nicht, aber scheinbar reichen die paar Stündchen Schlaf einfach nicht.
Zurück zum Prozess. Als sie endlich die Klimaanlage eingeschalten, kehren meine Lebensgeister zurück. Legen bald darauf eine Kaffeepause ein, weil der Zeuge aufs Klo muss. Das tut nun aber wirklich gut. Im Anschluss wird es dann auch noch spannender, sodass ich das Verhör mit Spannung verfolgen kann.
Werd euch jetzt mal kurz ein paar Details geben, die mit dem Prozess zu tun haben, damit ihr wisst, um was es überhaupt geht.
Alberto Fujimori ist angeklagt wegen zahlreichen Korruptionsfällen (hat Massen an Geld in die eigene Tasche wandern lassen) und Menschenrechtsverletzungen auf höchster Ebene. Doch ist es bisher so, dass die meisten Zeugen ihn in Schutz nehmen, und die Verantwortung für die Masaker anderen zuschieben. Die Schuld und aktive Befehlsgebung von Fujimori gilt es nun zu beweisen.
Ich möchte zwei Beispiele nennen, die für großes Aufsehen sorgten.
Im Jahr 1991 wurde der Regierung unter Fujimori gemeldet, dass in den Barrios Altos (Viertel von Lima) eine Grillparty von vermeintlichen Terroristen abgehalten werden solle. Kurz darauf wird der Befehl gegeben, Truppen des Militärs dorthin zu schicken, um die Terroristen zu erschießen. Also macht sich ein Trupp von Soldaten auf den Weg, passiert die Party ungeachtet und trifft wenig später auf eine andere Grillparty. In dem Glauben, es handelt sich um die Zielgruppe, wird sofort das Feuer eröffnet. Kinder, Frauen und Männer werden erschossen. Erst später stellt sich heraus, dass es sich um Unschuldige handelte.
Ein weiterer Fall, der verhandelt wird nennt sich “La Cantuta”. Die Cantuta ist eine Universität in Lima, in der eine Gruppe von Studenten erschossen wurde, die ebenfalls für Terroristen gehalten wurden.
Man kann also sagen, dass Fujimori in seinem Wahn, die Terroristen auszulöschen zahlreiche Unschuldige der Folter, Tortur, Vergewaltigung sowie Hinrichtung unterwarf. Sprich, die Menschenrechtsverletzungen wurde nicht von Fujimori selbst verübt, doch unter seiner Führung. Das tragische an dem 20jährigen Konflikt in Peru, von 1980-2000, war, dass es eigentlich ein Krieg zwischen dem Militär und den Terroristen – Sendero Luminoso “Leuchtender Pfad” und MRTA – war, doch v.a. Zivilpersonen dem Terror zum Opfer fielen. Nachdem Fujimori im Jahr 2000 das Land verlassen hatte, wurden Gesetze der Straffreiheit erlassen, die alle an dem Konflikt beteiligten, freisprechen. Auf Grund dessen beginnt der Prozess gegen die Verantwortlichen erst viele Jahre später, nachdem Fujimori von Chile an Peru ausgeliert wurde. Und da sitzt er nun vor der Richterbank, mit seiner Bruja "Hexe", die ihm gute Energien sendet. Kein Scherz, die Hexe existiert wirklich. Kurz vor dem Betreten des Audienzsaals hab ich sie getroffen und von sich aus ist sie auf mich und das Mädchen aus Holland zugekommen, um uns zu sagen, dass sie in Wirklichkeit keine Hexe sei. Ob Hexe oder nicht, jedenfalls - wenn man den Medien Glauben schenken kann - hat sogar einer der Anwälte der Gegenpartei ein Wasserglas unter seinem Tisch postiert, um die bösen Kräfte der Hexe abzuwehren. Momentan wird darüber diskutiert, inwieweit Fujimori die derzeitigen Haftbedingungen zustehen. Ist mittlerweile vom Schwerverbrecher zum kleineren Übeltäter umbenannt worden und hat es somit auch gar nicht so schlecht im Gefängnis. Zu seinem Geburtstag hat sogar eine Band für ihn gespielt. Mehr, denke ich, brauche ich zu dem Thema nicht sagen. Laut der Hexe wird Fujimori im Herbst freigesprochen und der Meinung sind auch zahlreiche Peruaner. Wo man in anderen Länder gleich einmal kaltblütig aus dem Verkehr gezogen wird oder auf dem elektrischen Stuhl landet, sieht man Fujimori möglicherweise in wenigen Jahren wieder auf dem Präsidentenstuhl. Und dass das gar nicht so unwahrscheinlich ist, sieht man an dem jetzigen Präsidenten, Alan García. War in den 80er Jahren schon einmal an der Regierung, hat eine Menge Geld unterschlagen und ebenfalls für gewaltige Menschenrechtsverletzungen gesorgt. Aber der Mensch vergisst schnell.
Genug Info für den Moment.
Während dem Mittagessen hab ich die Schwester eines der Opfer der Cantuta kennen gelernt. War recht interessant mit ihr zu reden. Sie nimmt, wie viele andere Angehörige an jedem Prozess teil, also dreimal die Woche.
Um ca. 3pm war ich wieder im Zentrum, nachdem ich im Anschluss ans Essen mit zwei Mädels zurück gefahren bin. Besser so, da die Region in Callao nicht gerade ungefährlich ist.
Im Anschluss hab ich Consuelo, die Tante von Gaudy, besucht. Hab den ganzen Nachmittag bei ihr verbracht. War also ein schöner Tag, mit vielen neuen Kontakten und Eindrücken.

15.08.2008
Heute ist das starke Erdbeben in Peru genau ein Jahr her. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht.
Hatte einen ganz relaxten Tag in der Arbeit. Mittags hab ich mich mit Theresia auf einen Kaffee getroffen. Und wen seh ich da, als ich aus dem Fenster blicke?! Einen Mitstudenten aus München. Hab öfter mal an ihn gedacht, weil er mir sagte, er würde im August nach Lima fliegen, um dort ein halbes Jahr an der Uni zu studieren. Da wir aber keine Kontaktdaten ausgetauscht haben, wusste ich nicht wie ich ihn erreichten könne. Das Problem hat sich jetzt erledigt! Manchmal schon faszinierend wie sich alles ohne Zutun ergibt.
Bin Nachmittags nochmals ins Büro. Haben dort den Geburtstag von Nuria gefeiert und zugleich den Abschied von Roxana, die für einige Monate nach Cusco geht. Schade, werd sie vermissen.
Ist schon fast 8:30pm. Ich komme gerade von meinen Nachbarn. Endlich hab ich das Baby kennen gelernt, das vor gut einer Woche auf die Welt gekommen ist. So eine süße Maus. Gustavo ist immer noch nicht zu Hause, der Arme, muss wieder einmal lange arbeiten. Und das am Freitag. Ich werd mir jetzt was zum Essen und einen heißen Tee machen. Ist schon wieder zapfig in der Wohnung.

Damit verabschiede ich mich für heute. Wünsche euch allen ein schönes erholsames Wochenende.

Dienstag, 5. August 2008

Ich werd Trauzeugin :)

Und schon wieder ist eine Woche vergangen.

Am Freitag hab ich mich mit Theresia getroffen. Der Name duerfte euch noch ein Begriff sein. Haben uns bei meinem letzten Auslandsaufenthalt kennen gelernt. Ja und wie sollte es auch anders sein, auch Theresia hat sich hier verliebt und verbringt aufgrund dessen ihre Semesterferien in Lima. Hat richtig gut getan nach zwei Wochen mal wieder ausgiebig deutsch zu sprechen :). Spaeter sind wir noch mit Eduardo was trinken gegangen und so ist der Freitag verflogen wie im nichts.

Am Samstag habens Evelyn und ich dann endlich auf einen Kaffee in Miraflores geschafft. Und da sie am 22.8. heiratet hat sich mich gefragt, ob ich ihre Trauzeugin sein will. Juhu, hab mich riesig gefreut. Nur weiss ich bisher noch ueberhaupt nicht, was man hier gewoehnlich schenkt. Das muss ich noch rausfinden. Abends waren Gustavo und ich dann auf die Geburtstagsfeier seines Onkels eingeladen. Die ganze Familie ist gekommen und es hat sogar eine Band gespielt. Nachdem wir uns eigentlich ein gemuetliches Wochenende zu Hause machen wollten, um endlich mal etwas fuer die Uni zu tun, sind wir letztlich doch wieder auf der Tanzflaeche gelandet. War aber ein richtig schoener Abend. Das tolle hier ist, dass wirklich alle tanzen, von jung bis alt. Gustavo´s Oma hat mich ein paar mal zum tanzen aufgefordert :). Suess!
Den Sonntag haben wir schliesslich mit Hausarbeit und kochen verbracht. Wow, ich glaub wir sind ueber 2 Stunden in der Kueche gestanden, bis endlich alle unsere Pfannkuchen fertig waren. Aber wenigstens hat sichs gelohnt.

Da ich gerade Mittagspause hab, moechte ich die restliche Zeit noch nutzen, um mich zu meinen Kollegen zu gesellen. Heute ist mein langer Tag. Arbeite bis etwa 8pm. Aber dafuer fange ich auch spaeter an.

Apropo, heute morgen habe ich erfahren, dass das Baby unserer Nachbarin zur Welt gekommen ist. Endlich. War schon eine Woche ueberfaellig. Bin schon richtig neugierig. Una mujercita "eine kleine Frau" hat mir Andrés heute erzaehlt. Lass mich mal ueberraschen.

Hab schon wieder einiges vor die naechsten Tage, aber das erfahrt ihr dann in meinem naechsten Blog :).

Bussi