Freitag, 15. August 2008

Ein Jahr ist vergangen seit dem Erdbeben am 15.08.2007


12.08.2008
Mal ein Wochenende ohne zu Hause anzurufen, ohne zu erfahren, was es neues in Deutschland gibt.
Am Freitag Nachmittag hab ich mich auf a Stünderl mit Evelyn getroffen. Sie ist extra zwei Stunden mit dem Micro nach Miraflores gefahren, um mir die Einladung zu ihrer Hochzeit zu bringen. Lieb, oder?
Jetzt darf ich mich schön langsam dran machen ein Geschenk zu suchen. Hab schon ein paar Ideen. Würd auch gerne etwas basteln, aber leider sind die Peruaner nicht so bastelfreudig, weshalb man schwer die notwendigen Utensilien findet. Aber immerhin hab ich schon einen goldenen Stift aufgetrieben.
Da Evelyn ewig im Stau festgesteckt ist hab ich mich in Saga Falabella (Kaufhaus) auf die Suche nach Consuelo gemacht. Consuelo ist die Tante von Gaudy, eine Freundin die ich aus München kenne und mit der ich zwei Reisen in Peru gemacht hab. Und ich hatte Glück. Immer noch in der selben Abteilung hab ich sie entdeckt. Werd sie die Tage mal besuchen, damit mir ein wenig länger Zeit haben zum ratschen. Jaja, schön langsam hab ich doch die wichtigsten Leute hier wieder gesehen. Und wies aussieht kommt am Wochenende eine Freundin aus Cusco nach Lima. Das würd mich total freuen, da wir uns sonst lange nicht sehen werden.
Aber nun wieder von der Freizeit zur Arbeit. Freitag Nachmittag bin ich zum Hostal (Hotel) marschiert, wo für das Wochenende unser Seminar stattfinden soll. Haben dort alles vorbereitet, damit es am Samstag pünktlich losgehen kann.
Zum Glück ist das Hostal nur ein paar Häuserblöcke von zu Hause entfernt.
Und am Samstag mach ich mich dann pünktlich auf zum Seminar. Bereite noch eine Fotoausstellung vor, bevor die anderen kommen. Naja, aber das Wort Pünktlichkeit ist hier leider unbekannt. Um 9am soll es losgehen. Meine Kollegen sind auch alle rechtzeitig da. Gut, mit Ausnahme Roxana, die erst mittags erwacht. Die Teilnehmer des Seminars sind schon am Vorabend angereist, da sie aus ganz Peru kommen. Also möchte man meinen, dass der Weg vom Zimmer zum Seminarraum nicht so weit sein kann. Falsch gedacht. Um 9am fangen die ersten zum frühstücken an. Toll, und um 10:30am fangen wir endlich an. Paulina ist schon kurz vorm an die Decke gehen, denn in Polen scheint extrem viel Wert auf Pünktlichkeit gelegt zu werden. Ärgern bringt jetzt auch nix, so ist es hier nun einmal.
Nun aber mal ein paar Worte zum Seminar an sich. Ihr wisst ja noch nicht einmal, um was es überhaupt geht. Dort werden Themen behandelt, die mit meinem Projekt zusammenhängen. Terrorismus, Straffreiheit, Prozess gegen den Ex-Präsidenten Fujimori… Mehr dazu dann später.
Für Samstag sind viele interessante Leute eingeladen. Historiker, Direktoren anderer Organisationen, der Anwalt, welcher die Opfer des Militärs verteidigt… Spannend! Aber auch unheimlich viel Info. Ziel des ganzen Seminars ist die verschiedenen Gruppen von AI über das Themengebiet zu informieren und mit den Teilnehmer sowohl Ideen und Erfahrungen auszutauschen, als auch Strategien zu finden, wie wir weiter vorgehen, um gegen die Straffreiheit der ehemaligen Politiker und Soldaten anzukämpfen.
Abends bin ich dann so richtig erschlagen. Um ca. 8pm kommt ich zu Hause an. Und sobald ich versuch die Augen zu schließen sprudeln Wörter wie AI, Straffreiheit und Fujimori gnadenlos durch meinen Kopf.
Am Sonntag gehts dann wieder auf. Trotz des eindeutigen Hinweises, dass wir am zweiten Tag pünktlich anfangen, ist natürlich keiner um 9am anwesend. Keine Chance! Bin heute nicht so fit. Hab einen Schädel auf, denke mal wegen einem Zuviel an Informationen. Gleich morgens hab ich meine Präsentation. Da der Koordinator meines Teams nicht teilnehmen kann, hab ich die Ehre ;). Läuft soweit ganz gut, doch froh bin ich trotzdem, als ich das Kapitel abhaken kann. Der restliche Tag vergeht schleppend. Hauptsächlich arbeiten die Gruppen heute, d.h. für mich gibt es nicht allzu viel zu tun. Suche also immer irgendwas, was ich erledigen kann und v.a. etwas, das für ein wenig Bewegung sorgt. Hab das Gefühl, ich roste schön langsam ein.
Um ca. 7pm bin ich dann endlich zu Hause. Juhu! Aber auch nur für ein paar Minuten. Paulina hat uns zu sich nach Hause eingeladen. Und Ruth hat schon gedroht mich einen Kopf kürzer zu machen, sollte ich nicht auftauchen. War nämlich erst gar nicht in Stimmung. Nun gut, um 11pm stehen Gustavo und ich dann doch noch bei Paulina vor der Tür. Muss gleich schmunzeln, als ich ihre Wohnung betrete. Alle sitzen schon mit hochroten Bäckchen da. Nehme mal schwer an, dass das an der Wirkung des Pisco liegt. Verbringen einen lustigen Abend miteinander und fallen wenigen Stunden später erledigt ins Bett.
Und so ist das Wochenende vorüber gezogen.
Am Montag durften wir dann alle länger zu Hause bleiben, um auch schön erholt zur Arbeit zu kommen. War dann doch von den Praktikantinnen glatt die erste die um 2pm aufgekreuzt ist.
Nach der Arbeit bin ich noch mit Jenna durch Miraflores gegurkt, um eine neue Brille für sie zu finden. Im Anschluss hab mir einen lecker Latte Macchiato im Starbucks gegönnt, um mich ein Stündchen meinem Buch zu widmen, das ich gerade lese. Um kurz vor 8pm treffe ich mich dann mit Gustavo im Teatro Británico, wo wir uns Il Duce, eine Theaterstück über Mussolini anschauen. Nachdem Gustavo 1,5h im Stau festgesteckt ist, kommt er gerade noch rechtzeitig an.
Doch die Aufführung entschädigt uns für die Strapazen :).

14.08.2008
Gestern hab ich den Vormittag im Gerichtssaal verbracht. Bin früh aufgestanden, um rechtzeitig zu dem Ort zu gelangen, von wo aus ein Bus startet, der einen zu der Kaserne bringt, wo der Prozess gegen den Ex-Präsidenten Fujimori abgehalten wird. Hab dort gleich mal einen schönen Park entdeckt, wo es sogar eine Jogging-Strecke gibt. Bin da ein wenig herumspaziert, um mit meinen Handy das eine oder andere Foto zu knipsen. Kurz darauf hat mich eine Frau angesprochen, ob ich von der Gemeinde sei und in deren Auftrag Fotos mache. Dachte, sie könne bei mir gleich eine Beschwerde loswerden. Was ihr gewaltig gegen den Strich geht ist, dass einige Bäume doch tatsächlich schief wachsen in dem Park und somit nicht in ihre Vorstellung passen. Schuld daran seien die Gärtner. Naja, gibt sonst ja auch keine größeren Probleme hier.
Bald darauf sitze ich im Bus, auf dem Weg nach Callao (Viertel, wo der Prozess stattfindet). Warte noch bis zur letzten Minute auf Roxana und Jenna, die mich eigentlich begleiten sollten. Aber keine kommt. Im Nachhinein erscheint es mir besser so, auch wenns gemein klingt. Doch so habe ich Gelegenheit ein paar interessante Leute kennen zu lernen. Erst treffe ich auf ein Mädchen aus Holland, die bereits zwei Jahre in Bolivien gearbeitet hat und nun die nächsten 24 Monate in Cusco, Peru, verbringen wird. Hab gleich die Gelegenheit genutzt, um etwas über Perus Nachbarland zu erfahren. Recht interessant muss ich sagen.
In der Kaserne angekommen, wird uns gleich am Eingang alles abgenommen, aus Sicherheitsgründen versteht sich. Dann gehts in den Audienzsaal. Ist mir ja echt peinlich, aber die erste Stunde bin ich im fünf Minutentakt eingeschlafen. Ist komisch, aber das ist mir jetzt schon zum dritten Mal passiert, dass ich mitten am Tag mühe hab meine Augen aufzuhalten. Letztens hatte ich ein Gespräch mit Silvia, der Direktorin von AI, und ich wäre während dem Gespräch fast eingeschlafen. Und dabei war es recht interessant, was sie mir erzählte. Macht mir Angst, denn das ist mir noch nie zuvor passiert. Entweder es liegt am Bewegungsmangel und an zu wenig Schlaf. Werd versuchen wieder einen geregelteren Rhythmus zu finden. Geh meistens spät ins Bett und muss früh raus. D.h. so früh auch wieder nicht, aber scheinbar reichen die paar Stündchen Schlaf einfach nicht.
Zurück zum Prozess. Als sie endlich die Klimaanlage eingeschalten, kehren meine Lebensgeister zurück. Legen bald darauf eine Kaffeepause ein, weil der Zeuge aufs Klo muss. Das tut nun aber wirklich gut. Im Anschluss wird es dann auch noch spannender, sodass ich das Verhör mit Spannung verfolgen kann.
Werd euch jetzt mal kurz ein paar Details geben, die mit dem Prozess zu tun haben, damit ihr wisst, um was es überhaupt geht.
Alberto Fujimori ist angeklagt wegen zahlreichen Korruptionsfällen (hat Massen an Geld in die eigene Tasche wandern lassen) und Menschenrechtsverletzungen auf höchster Ebene. Doch ist es bisher so, dass die meisten Zeugen ihn in Schutz nehmen, und die Verantwortung für die Masaker anderen zuschieben. Die Schuld und aktive Befehlsgebung von Fujimori gilt es nun zu beweisen.
Ich möchte zwei Beispiele nennen, die für großes Aufsehen sorgten.
Im Jahr 1991 wurde der Regierung unter Fujimori gemeldet, dass in den Barrios Altos (Viertel von Lima) eine Grillparty von vermeintlichen Terroristen abgehalten werden solle. Kurz darauf wird der Befehl gegeben, Truppen des Militärs dorthin zu schicken, um die Terroristen zu erschießen. Also macht sich ein Trupp von Soldaten auf den Weg, passiert die Party ungeachtet und trifft wenig später auf eine andere Grillparty. In dem Glauben, es handelt sich um die Zielgruppe, wird sofort das Feuer eröffnet. Kinder, Frauen und Männer werden erschossen. Erst später stellt sich heraus, dass es sich um Unschuldige handelte.
Ein weiterer Fall, der verhandelt wird nennt sich “La Cantuta”. Die Cantuta ist eine Universität in Lima, in der eine Gruppe von Studenten erschossen wurde, die ebenfalls für Terroristen gehalten wurden.
Man kann also sagen, dass Fujimori in seinem Wahn, die Terroristen auszulöschen zahlreiche Unschuldige der Folter, Tortur, Vergewaltigung sowie Hinrichtung unterwarf. Sprich, die Menschenrechtsverletzungen wurde nicht von Fujimori selbst verübt, doch unter seiner Führung. Das tragische an dem 20jährigen Konflikt in Peru, von 1980-2000, war, dass es eigentlich ein Krieg zwischen dem Militär und den Terroristen – Sendero Luminoso “Leuchtender Pfad” und MRTA – war, doch v.a. Zivilpersonen dem Terror zum Opfer fielen. Nachdem Fujimori im Jahr 2000 das Land verlassen hatte, wurden Gesetze der Straffreiheit erlassen, die alle an dem Konflikt beteiligten, freisprechen. Auf Grund dessen beginnt der Prozess gegen die Verantwortlichen erst viele Jahre später, nachdem Fujimori von Chile an Peru ausgeliert wurde. Und da sitzt er nun vor der Richterbank, mit seiner Bruja "Hexe", die ihm gute Energien sendet. Kein Scherz, die Hexe existiert wirklich. Kurz vor dem Betreten des Audienzsaals hab ich sie getroffen und von sich aus ist sie auf mich und das Mädchen aus Holland zugekommen, um uns zu sagen, dass sie in Wirklichkeit keine Hexe sei. Ob Hexe oder nicht, jedenfalls - wenn man den Medien Glauben schenken kann - hat sogar einer der Anwälte der Gegenpartei ein Wasserglas unter seinem Tisch postiert, um die bösen Kräfte der Hexe abzuwehren. Momentan wird darüber diskutiert, inwieweit Fujimori die derzeitigen Haftbedingungen zustehen. Ist mittlerweile vom Schwerverbrecher zum kleineren Übeltäter umbenannt worden und hat es somit auch gar nicht so schlecht im Gefängnis. Zu seinem Geburtstag hat sogar eine Band für ihn gespielt. Mehr, denke ich, brauche ich zu dem Thema nicht sagen. Laut der Hexe wird Fujimori im Herbst freigesprochen und der Meinung sind auch zahlreiche Peruaner. Wo man in anderen Länder gleich einmal kaltblütig aus dem Verkehr gezogen wird oder auf dem elektrischen Stuhl landet, sieht man Fujimori möglicherweise in wenigen Jahren wieder auf dem Präsidentenstuhl. Und dass das gar nicht so unwahrscheinlich ist, sieht man an dem jetzigen Präsidenten, Alan García. War in den 80er Jahren schon einmal an der Regierung, hat eine Menge Geld unterschlagen und ebenfalls für gewaltige Menschenrechtsverletzungen gesorgt. Aber der Mensch vergisst schnell.
Genug Info für den Moment.
Während dem Mittagessen hab ich die Schwester eines der Opfer der Cantuta kennen gelernt. War recht interessant mit ihr zu reden. Sie nimmt, wie viele andere Angehörige an jedem Prozess teil, also dreimal die Woche.
Um ca. 3pm war ich wieder im Zentrum, nachdem ich im Anschluss ans Essen mit zwei Mädels zurück gefahren bin. Besser so, da die Region in Callao nicht gerade ungefährlich ist.
Im Anschluss hab ich Consuelo, die Tante von Gaudy, besucht. Hab den ganzen Nachmittag bei ihr verbracht. War also ein schöner Tag, mit vielen neuen Kontakten und Eindrücken.

15.08.2008
Heute ist das starke Erdbeben in Peru genau ein Jahr her. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht.
Hatte einen ganz relaxten Tag in der Arbeit. Mittags hab ich mich mit Theresia auf einen Kaffee getroffen. Und wen seh ich da, als ich aus dem Fenster blicke?! Einen Mitstudenten aus München. Hab öfter mal an ihn gedacht, weil er mir sagte, er würde im August nach Lima fliegen, um dort ein halbes Jahr an der Uni zu studieren. Da wir aber keine Kontaktdaten ausgetauscht haben, wusste ich nicht wie ich ihn erreichten könne. Das Problem hat sich jetzt erledigt! Manchmal schon faszinierend wie sich alles ohne Zutun ergibt.
Bin Nachmittags nochmals ins Büro. Haben dort den Geburtstag von Nuria gefeiert und zugleich den Abschied von Roxana, die für einige Monate nach Cusco geht. Schade, werd sie vermissen.
Ist schon fast 8:30pm. Ich komme gerade von meinen Nachbarn. Endlich hab ich das Baby kennen gelernt, das vor gut einer Woche auf die Welt gekommen ist. So eine süße Maus. Gustavo ist immer noch nicht zu Hause, der Arme, muss wieder einmal lange arbeiten. Und das am Freitag. Ich werd mir jetzt was zum Essen und einen heißen Tee machen. Ist schon wieder zapfig in der Wohnung.

Damit verabschiede ich mich für heute. Wünsche euch allen ein schönes erholsames Wochenende.

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