Von Tag zu Tag wird es kühler hier. Zwar gibt es auch noch ab und an sonnige Tag, die einem die Welt gleich aus ganz anderen Augen sehen lassen, doch man merkt einfach, dass der Winter einkehrt. Hab mich letzte Woche schon mit warmen Alpaca-Sachen und kuscheligen Hausschuhen eingedeckt. Und so sitze ich nun vor dem Computer, mit einem bunten Poncho und eingewickelt in einen Schal. Heute genieße ich meinen freien Montag, und vor allem die Ruhe in der Nachbarschaft. Bis Samstag lagen meinen Nerven blank, da immer noch neben uns gebaut wird und am Wochenende haben sie Zement auf den Rohbau geklatscht. Da dieser an unsere Terrasse grenzt, könnt ihr euch vielleicht vorstellen, was das für eine Sauerei gab. Momentan wird nicht gearbeitet, da der Zement trocknen muss und im Anschluss hoffe ich, dass sie ihre Bauarbeiten nach innen verlagern. Mache gerade eine Lernpause. Ist nach wie vor so viel zu lernen, dass ich kaum weiß, wo vorne und hinten ist. Aber ich komme gut voran.
Bin entspannter, seit ich mich entschlossen habe, vorerst keinen weiteren Englischkurs zu besuchen. Die Abende habe ich nun frei und nutze die Zeit in der Universität viel besser. Bin meist bis 5:30pm auf dem Campus, hole dann Gustavo von der Arbeit ab und gemeinsam fahren wir dann nach Hause. Außerdem habe mehr freie Minuten für einen Kaffee mit Freunden oder Dinge wie ins Kino gehen. Erst vor kurzem habe ich mir an der Uni einen Film über Israel angeschaut (gibt hier ständig Filmtage). War wirklich interessant und im Anschluss wurde dieser von dem israelischen Botschafter kommentiert. Naja, wie man sich denken kann, sehr nationalistisch gestimmt, was Palästina angeht.
Achja, zweimal bin ich beklaut worden. Keine Angst, halb so schlimm, aber trotzdem ärgerlich. Das erste Mal wurde mir mein halb voller Einkaufswagen im Supermarkt entführt (zum Glück noch nicht bezahlt, aber ihr könnt euch vielleicht vorstellen wie sauer man ist, wenn man es eilig hat, eh weiß, dass man eine Ewigkeit an der Kasse braucht und man dann nochmal von vorne anfangen kann mit dem Abhaken des Einkaufszettels). Das zweite Mal hat mir jemand mein Kosmetiktäschchen aus dem Rucksack gezogen. Erst habe ich mich furchtbar geärgert, einfach schon aus dem Grund, weil man hier immer auf alles aufpassen muss. Doch dann musste ich ehrlich gesagt lachen. Ratet mal was der Dieb in meinem Täschchen entdeckt hat, als er es öffnete, in der Hoffnung einen großen Schatz zu finden: OB´s, Labello, Zahnbürste …. Tja, den Aufwand hätte er sich wirklich sparen können.
Was habe ich sonst so angestellt? War zweimal richtig schön bummeln. Erst bin ich mit Claire nach Gamarra gefahren, das Viertel, in dem die ganzen Textilien hergestellt werden. Ist nicht ganz ungefährlich dort, also habe ich mich in meine „chicsten“ Klamotten geschmissen und mein Geld so versteckt, dass es keiner findet. Ist ein richtiges Einkaufsparadies dort und die Preise verführen dazu haufenweise Dinge zu kaufen, die man eigentlich gar nicht braucht. Ich konnte mich aber beherrschen. Weiß schließlich, dass ich eh nicht mehr nach Hause mitnehmen kann, als das, was ich hierher gebracht habe. Nur einen dicken Schal und ein paar Ketten hab ich mir gegönnt. Wenn ich schon nicht so viele verschiedene Kleidungsstücke hab, so möchte ich wenigstens mit Accessoires für Abwechslung sorgen. Und am Samstag waren Claire, Gustavo und ich im Zentrum von Lima. Dort findet man auch, was das Herz begehrt. Passagen voll von Bastelmaterial (dort werden Karten angefertigt, Kindergeburtstage vorbereitet...), Perlen für Ketten, Haustiere (und sogar gut ernährt und gepflegt) etc. Die Stunden verfliegen gerade so. Nach dem Essen im Chinesischen Viertel mussten wir dann aber doch nach Hause, um was für die Uni zu tun. Bis 11:30pm waren wir fleißig, doch dann zwang uns eine Stromausfall mit ein paar Kerzen das Bett aufzusuchen.
Da hätte ich ja fast vergessen, dass wir vor zwei Wochen mal so richtig schön weggegangen sind. War der Geburtstag von einer Freundin. Nach ein paar Stunden vorglühen in einem mexikanischen Restaurant, gings in eine Großraumdisco. Während die meisten den Techno-Saal bevorzugten, haben Gustavo und ich zu lateinamerikanischen Rhythmen das Tanzbein geschwungen. Und das besondere an der Disco war, dass sie bekannt ist für die ihr homosexuelles Publikum. War mal eine neue Erfahrung, aber eine gute. Vor allem weil ich als Europäerin endlich mal bewahrt war vor aufdringlichen Blicken *:)*.
Bevor ich meinen kleine Bericht für heute beende, möchte ich gerne noch ein paar Nachrichten, was Peru betrifft, mit euch teilen. Hier geht es momentan drunter und drüber. Seit ein paar Monate sind die nativen Einwohner des Amazonasgebiet im Streik und am 5.Juni ist die Situation eskaliert, was mit dem Tod einiger toter Indianer, wie auch Polizisten endete. Grund für die Unruhen war ein Gesetzeserlass, der es dem Staat und somit auch den Unternehmen erleichtert, an die nativen Gebiete heranzukommen. Ich bin kein Experte in Rechtsangelegenheiten, aber was man hört ist folgendes. Bisher war es so, dass Land im Naturschutzgebiet des Amazonas (Regenwald) nur verkauft werden durften, wenn alle Einwohner zustimmten, was dies natürlich erheblich erschwerte. Nach der Gesetzesänderung soll dies nun um einiges einfacher werden, da nur noch ein Teil sein OK geben muss. Und wie leicht ist es doch immer arme Leute durch eine kleine Finanzspritze von derartigen Verträgen zu überzeugen? Was hier vor sich geht ist nicht lustig. Was hat die Regierung veranlasst den Kauf von Grundstücken zu ermöglichen? Bodenschätze! Was dabei mit den Stämmen geschieht, die ihres natürlichen Lebensraumes beraubt werden, spielt dabei keinerlei Rolle. Im Fernsehen findet man Werbesendungen, besser passt wohl das Wort Propaganda, von der Regierung, die den Indianern vorwerfen, sie würden den Fortschritt des Landes bremsen. Da kommt mir die Galle hoch! Wie weit wird uns unsere Habgier noch führen? Was machen wir erst wenn es keine Regenwälder mehr gibt, wenn die letzten noch überlebenden Stämme ihren Lebensraum zugunsten von Fabriken räumen müssen?
Und was geschieht in den Anden. Dort ist, wie in Lima, der Winter eingekehrt. Es gibt keine Heizungen, kein Geld für gute Kleidung oder Medikamente und die Temperaturen sind mittlerweile auf weit unter 0 Grad gesunken. Täglich sterben Kinder in Puno (Titicacasee) und das Jahr für Jahr, ohne dass der Staat eingreift. Für die notwendigen Behandlungen der Schwächsten muss eine Familie ihr ganzes Monatsgehalt aufbringen und dennoch erwartet sie der Tod. Aber wieso soll man den Menschen helfen? Sie sind doch selbst schuld, wenn sie sich nicht dem Fortschritt der Metropole anschließen, also wieso für Menschen, die nur Kosten verursachen, Geld ausgeben?
Und jetzt haltet euch mal vor Augen welch ein Theater wegen der Schweinegrippe veranstaltet wird. Opferzahlen, die man an wenigen Fingern abzählen kann. Und wer fragt nach den über 150 Kindern, die innerhalb kürzester Zeit in Puno erfroren sind? Niemand. Wer weiß überhaupt, wo Puno liegt, geschweige denn Peru?
Genug jetzt, tut nur weh, wenn man länger darüber nachdenkt.
So, jetzt fülle ich meine Biskuitrolle *:)*
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