Mittwoch, 18. Februar 2009

An das Leben in der Großstadt muss man sich gewöhnen

19. Februar, 2009

Wieder sind ein paar Tage vergangen. Langsam gewöhne ich mich aufs Neue an das peruanische Leben. Wo ich zunächst noch dachte, ich würde mich die erste Zeit v.a. in meinem Zimmer verschanzen, um dem Trubel der Großstadt zu entfliehen, beginne ich nun, mir Ruheoasen, außerhalb meiner vier Wände, zu suchen, an denen ich die Seele baumeln lassen kann. Gestern Nachmittag habe ich ein paar Stunden auf dem Uni-Campus verbracht. Sobald man diesen betritt, vergisst man das Chaos und den Lärm um sich herum. Dazu muss man sagen, dass dieser durch eine Mauer von der Außenwelt getrennt ist und nur diejenigen den Bereich betreten dürfen, die durch ihren Studentenausweis dazu autorisiert sind. Auf dem Gelände findet man eigentlich alles, um sich dort gut den ganzen Tag aufhalten zu können: Banken, Kantinen, Cafés, Bänke, viele Grünflächen, einen Sportbereich... Nachdem ich mit Gustavo Mittagessen war, habe ich mir ein Plätzchen auf einer Wiese gesucht, um gemütlich etwas zu lesen. Das Wetter ist tückisch. Sitz man in der Sonne, verbrennt man ruckzuck, im Schatten jedoch muss man aufpassen, dass man sich nicht verkühlt, weil der Wind recht stark ist. Naja, jedenfalls habe ich mich dann doch für den Schatten entschieden und zwar unter einen schönen großen Baum. Gerade in meine Lektüre vertieft, höre ich etwas neben mir schmatzen. Und was sehe ich da, kaum einen halben Meter entfernt von mir? Ein riesigen Eichhörnchen, das fröhlich vor sich hinknabbert. Anstand hatte es zwar keinen, denn ich hab ständig die Essensreste abgekriegt, aber schön zum beobachten wars auf jeden Fall. Mit dem Campus habe ich einen Ort gefunden, an dem ich mich wirklich entspannen kann. Dort wird man nicht ständig von irgendwelchen komischen Typen angesprochen, merkt man den Smog der Stadt nicht und ist umgeben von Natur und Tieren. Dass dort auch Rehe leben, das habe ich schon einmal erwähnt. Die haben die Flucht aus dem angrenzenden Zoo gewagt und genießen nun das akademische Leben :). Genug relaxt, habe ich mich auf den Weg zu einer Freundin gemacht, die unweit von der Uni lebt. Und mit einem leckeren Tässchen Kaffee haben Gustavo und ich den Tag außerhalb der Herberge beendet.
Heute ist wieder ein sehr heißer Tag, so heiß, dass ich schon beim frühstücken ins Schwitzen gekommen bin. Hatte ein nettes Gespräch mit der Besitzerin der Herberge. Sie hat mich schon zum wiederholten Mal eingeladen, mit ihrer Tochter nach Cajamarca – einer kulturell sehr interessanten Stadt in den Anden – zu reisen. Klingt wirklich verlockend, vor allem, da dort im Moment groß Fasching gefeiert wird, wovon man in Lima überhaupt nichts merkt. Nun gut, außer dass einen Kinder hin und wieder versuchen, mit Wasserbomben zu beschießen (was mittlerweile jedoch verboten ist). Aber erstens habe ich schon viele Pläne für diese Woche und zweitens will ich zuerst eine Wohnung, bevor ich wieder ans verreisen denke. Zwar genieße ich gerade die freien Stunden im Hotelzimmer, doch würde ich mich viel wohler fühlen, wenn es etwas ruhiger wäre. Der Lärm, der an unserem Fenster vorbeiführenden Straße, ist ganz schön nervenaufreibend. Da sehne ich mich richtig nach der Ruhe zu Hause. Aber gut, der Mensch ist ein Gewohnheitstier und mein Ohr wird sich schon an die Geräuschkulisse anpassen. Jetzt werde ich noch ein wenig faulenzen, bevor ich mich mittags mit Evelyn, meine Freundin, auf deren Hochzeit ich im Sommer war, treffe.

Ich hoffe, es geht euch allen gut und ihr friert nicht allzu sehr im kalten Deutschland. Mein Wetterfroschi hat mir für Rosenheim gestern Nacht -13 Grad angezeigt. Wars wirklich so kalt? Hab schon ein paar Sonnenstrahlen für euch losgeschickt. Dürften also hoffentlich bald in Europa ankommen. BUSSI

Kleiner Nachtrag zum heutigen Tag. Wie geplant habe ich mich mittags mit Evelyn getroffen. Sind erst ein bisschen durch die Stadt gebummelt und haben dann versucht, ein Restaurant zu finden, in dem auch ich etwas finde. Letztendlich hatten wir Erfolg. Nach dem Essen dann der Schock. Evelyns Handtasche ist verschwunden. Schnell läuft sie zurück zu einem anderen Restaurant, in dem wir zuvor unser Glück versucht haben. Doch dort hat sie sie nicht gelassen. Also bleibt zur eine Erklärung: die Tasche wurde ihr im Restaurant geklaut. Unglaublich! Ein kleines, neues Restaurant, in einem von Lima sichersten Vierteln und noch dazu mit 3 bis 4 Angestellten um uns herum. Die Reaktion der Wirtsleute ist relativ neutral. So etwas passiert eben, meinen sie nur. Ausweis, wichtige Papiere für die Botschaft, viel Geld, Handy und Schlüssel, alles weg. Was tun? Fragen uns schließlich zum Polizeipräsidium durch. Da werde ich dann erst so richtig sauer. Das müsstet ihr echt mal sehen, wie dort gearbeitet wird. Werden nach einigem Fragen in einen Raum geschickt, wo angeblich die Anzeigen bei Raubüberfällen entgegengenommen werden. Zwei Beamte, der eine starrt nur blöd in die Luft und sitzt vor einem PC, der scheinbar nur zur Deko dasteht und der andere ist gerade dabei die Anzeige einer Dame zu bearbeiten. Der Blöd-in-die-Luft-Schauer hört sich Evelyns Bericht an und dann reagiert er einfach nicht mehr. Ich werde schön langsam immer wütender über die Arbeitsweise, wenn man das so nennen kann, dieses Herrn. Und als ich wissen möchte, was denn jetzt los sei und weshalb er nichts mache, meint er nur, es gebe lediglich einen PC, der das System zur Aufnahme von Anzeigen erlaube. Schmarrn! Der hat einfach keine Lust. Also grinst er doof vor sich hin und wartet. Wir beharren jedoch darauf, dass er sich aufgewegt und schließlich fahren wir mit einer Patrouille zu dem Restaurant. Und statt dass mal ein vernünftiger Polizist eingreift, bewegt sich mit langsamen Schritten die Trantüte Richtung Lokal. Dann begrüßt er erst einmal ganz lässig mit Handschlag den Besitzer und nimmt auf einem Schmierzettel dessen Daten auf. Warum interessiert ihn, ob der Inhaber des Restaurants verheiratet ist und wie alt er sei? Nachdem er diese überflüssigen Daten notiert hat, gibt er ihm wieder die Hand und die Sache scheint erledigt. Bin ich im falschen Film? Jetzt reichts, nochmal werde ich laut und verlange zumindest das Geld zurück, das wir für das Essen bezahlt haben. Nach langem hin und her rücken sie dies dann endlich raus. Ja, doch einen möglichen Täter hat wohl keiner gesehen und das scheint wohl auch keinen ernsthaft zu interessierten. Solche Dinge passieren eben, meint dieses Ekel von Polizist. Wir fahren zurück zum Revier, wo unser tatkräftiger Polizist sich gemütlich auf den Weg macht, jemanden zu suchen, der nun endlich die Daten in den Computer tippen kann. Und, oh Wunder, plötzlich gibt es doch tatsächlich einen zweiten Computer, der über dieses höchst spezielle „System“ verfügt. Da könnte man an die Decke gehen. So ein unproduktives Arbeiten wird auch noch bezahlt und da wundert man sich, warum die Kriminalität nicht abnimmt. Zum guten Abschluss bittet Evelyn um eine Kopie der Anzeige, was ihr eine neue Ausstellung ihres Ausweises erleichtert. Dafür muss sie jedoch erst zur Bank laufen, S./ 3,50 (weniger als 1 Euro) zahlen, und mit diesem Beleg erneut bei der Polizei antanzen. Also, wer sich bei uns noch einmal über die Bürokratie beschwert, der sollte Peru kennen lernen. Arme Evelyn, da kommt noch viel Stress auf sie zu und das wegen ein Paar Piranjas (so nennt man die Taschendiebe hier), die vor nichts Skrupel haben. Wäre sie alleine unterwegs gewesen, hätte sie wirklich schlechte Karten gehabt. Denn ohne Handy und Geld wäre sie nicht mehr so schnell nach Hause gekommen und sie wohnt immerhin zwei Stunden außerhalb vom Zentrum.

Ganz verbrannt bin ich in der Herberge angekommen. Leider hatte ich meine Sonnencreme vergessen und dafür muss ich jetzt büßen. Aber es gibt schlimmeres. Mama, den Riemen von der Tasche, die du mir geschenkt hast, werde ich jetzt nicht mehr so schnell los, doch wenigstens hat er einen Teil meiner Haut vorm Verbrennen geschützt :).

Auf morgen freue ich mich schon, denn mittags fahre ich meine ehemaligen Kollegen von Amnesty International besuchen und ich werde sogar von Jenna bekocht. Was für ein Luxus!




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